Das sog. „Kriegsgefangenen-Ferienlager“ auf Schloss Steinburg bei Bogen 1944/45 - Ein Propagandaprojekt und seine Widersacher
Donnerstag, 30. Oktober 2025, 19.30 Uhr | Teilnahme frei
Das sog. „Kriegsgefangenen-Ferienlager“ auf Schloss Steinburg bei Bogen 1944/45
Ein Propagandaprojekt und seine Widersacher
Vortrag: Rainer Ehm, Museumskurator, Regensburg
Veranstaltungsort: Vortragssaal Gäubodenmuseum, Fraunhoferstr. 23, 94315 Straubing
Es dürfte über den Altlandkreis Bogen hinaus kaum bekannt sein, dass sich auf Schloss Steinburg, heute Gde. Hunderdorf, 1944/45 ein sog. „Kriegsgefangenen-Ferienlager“ für britische Offiziere befand. 1943 waren im Großraum Berlin zwei solche Lager eingerichtet worden, in denen sich britische Kriegsgefangene in mehrwöchigen Aufenthalten von den Strapazen ihrer Kriegsgefangenschaft erholen sollten. Das Lager für Offiziere wurde im Mai 1944 nach Steinburg verlegt. Zeigte sich die Wehrmacht hier als besonders menschenfreundlich und kameradschaftlich gegenüber britischen Soldaten? Oder steckte hinter diesen „Ferienlagern“ eine ganz andere Absicht, ein propagandistischer Zweck?
Der Referent wird anhand von Erinnerungen ehemaliger „Urlauber“ detailliert den Alltag des Ferienlagers Steinburg beschreiben. Deutsches und britisches Aktenmaterial ermöglicht ihm aber auch einen ausführlichen Blick hinter die Kulissen dieser scheinbaren Idylle. Inhaltlich verantwortlich für den Alltag in diesen „Ferienlagern“ zeichneten Propaganda-Abteilungen des Auswärtigen Amtes, die dabei eng mit entsprechenden Wehrmachtstellen und bald auch der SS kooperierten. Ziel war die Schaffung eines positiven Deutschland-Bildes in Großbritannien und den Commonwealth-Staaten, aber auch die „Gewinnung von Gefangenen für die Aktivpropaganda in antibolschewistischem und antijüdischem Sinne“, bis hin zur Freiwilligenwerbung für Wehrmacht bzw. für ein „British Free Corps“ der Waffen-SS.
Die Thematik erhielt eine zusätzlich dramatische Note, da aktive Angehörige des deutschen militärischen Widerstands in diesen Propagandastellen durchaus ebenfalls an einem positiven Deutschland-Bild in Großbritannien interessiert waren, an das man in einer Zeit nach Hitler hätte anknüpfen können, aber alle anderen damit verbundenen Propagandabemühungen soweit ihnen möglich sabotierten. Zu nennen sind hier insbesondere der Legationsrat im Auswärtigen Amt Dr. jur. Adam von Trott zu Solz (Jg. 1909, hingerichtet 1944) und dessen Vertrauter im „Ferienlager Steinburg“, dem dortigen Wehrmacht-Propagandabeauftragten Dr. phil. Ernst Falkner (1909-1950). In aktivem Zusammenwirken mit der letzten „Urlaubergruppe“ übergab Falkner das Lager am 25. April 1945 an die US-Streitkräfte. Anschließend agierte er als Bürgermeister von Steinburg, ab Mai als kommissarischer Landrat in Bogen, dann in gleicher Funktion in Regensburg, wo er zudem ab Juni 1945 auch als Regierungsvizepräsident von Niederbayern/Oberpfalz eingesetzt war. Dem ersten Deutschen Bundestag gehörte er als Abgeordneter der Bayernpartei von 1949 bis zu seinem Verkehrsunfalltod 1950 an.